Tarifverträge und Mitbestimmung sind unerlässlich für gute Arbeitsbedingungen

Linke und Gewerkschafter*innen diskutieren über Gute Arbeit

„Gute Arbeit - Gute Löhne - wie schaffen wir das?“ Zu dieser Frage diskutierten am Mittwochabend im Gasthof zum Wulfen in Sulzbach-Rosenberg auf Einladung der Linken in der Mittlere Oberpfalz kompetente Referentinnen und Referenten.

Zu Gast waren die Bundestagsabgeordnete und ehemalige Gesamtbetriebsratsvorsitzende bei Nestle, Susanne Ferschl, Udo Fechtner, 1. Bevollmächtigter IG Metall Amberg und Claudia Piehler, freigestellte Betriebsrätin beim Netto Marken-Discount. Ebenfalls eingeladen war Iris Schopper, stellvertretende Bezirksleiterin der IGBCE Bezirk Nordostbayern. Sie war aber kurzfristig verhindert da bei Synlab in Weiden neue Verhandlungen über einen Tarifvertrag anstanden und hatte deshalb der Veranstaltung vorab Videobotschaften zukommen lassen.

Der Moderator Sebastian Wanner wies zu Beginn auch gleich auf die aktuellen und wichtigen Tarifauseinandersetzungen hin. Egal ob in der Stahlindustrie, bei Bund, Kommunen und Ländern, bei der Bahn oder im Einzel- und Großhandel – die Forderungen der Gewerkschaften seien laut Wanner vor dem Hintergrund der enormen Inflation stehts moderat und realistisch. Trotzdem gestalten sich die Auseinandersetzungen mit den Arbeitgebern teilweise hart und langwierig. Die Linke hat deshalb großen Respekt vor dem Kampfgeist der Beschäftigten, denn ohne diesen Einsatz gäbe es entweder viel geringere oder überhaupt keine Lohnerhöhungen, was enorme Reallohnverluste bedeuten würde.

Udo Fechtner und Claudia Piehler konnten hier gleich anschließen und über die Erfahrungen in den Tarifkämpfen in der Metallindustrie und im Handel berichten. Die IG Metall Amberg umfasst das Gebiet der nördlichen Oberpfalz und hat 15.000 Mitglieder. In den Tarifrunden werden Warnstreiks zur Unterstützung der Verhandlungen durchgeführt und die Beschäftigten gut eingebunden. Damit ist die IG Metall durchsetzungsfähig und konnte auch in der letzten Runde 2022 einen guten Abschluss erzielen.

Claudia Piehler schilderte, dass sie gerade den längsten und härtesten Streik im Handel führen. Die Kolleginnen und Kollegen werden aber nicht müde und es kommen immer mehr Streikende dazu. Der Arbeitskampf dauere jetzt schon acht Monate und es wurden unglaubliche 6585 Streiktage absolviert. Das sind circa 27 Streiktage pro Betrieb. Über 90.600 Menschen haben bisher an den Streiks teilgenommen und es werden immer mehr, da die Beschäftigten dringend höhere Gehälter brauchen.

Iris Schopper erläuterte in ihrer Videobotschaft, dass die Breitschaft zum Streik bei den Beschäftigten größer geworden ist. Zum einen läge dies daran, dass die Belegschaften auf Grund des Fachkräftemangels selbstbewusster seien und zum anderen, weil auf Grund gestiegenen Lebenshaltungskosten einfach höhere Löhne notwendig sind. Bei Synlab fordert die IGBCE 11 Prozent, aber mindestens 380 Euro, mehr. In Kürze folgt auch die Tarifrunde in der Chemiebranche, bei der die Beschäftigten ebenfalls große Erwartungen haben.

Dass die Menschen höhere Löhne und auch mehr Unterstützung aus der Politik brauchen, ist für Susanne Ferschl völlig klar. Aus ihrer Sicht ist es der Bundesregierung allerdings nicht gelungen, ein sozial ausgewogenes Entlastungspaket auf den Weg zu bringen. Gelder wurden per Gießkanne verteilt, so dass insgesamt nur kleine Summen bei den Bürgerinnen und Bürgern ankamen und Menschen mit wenig Geld auch nur sehr geringe Unterstützung bekamen. Sie hätte Wege zur stärkeren und direkten Entlastung ärmerer Menschen besser gefunden. Gleichzeitig hätten die hohen Gewinne der Konzerne besteuert werden müssen. Die Inflationsausgleichspauschale sieht Ferschl als vergiftetes Angebot, da sie nicht tabellenwirksam ist.

Grundsätzlich setzt sich Die Linke dafür ein, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu verbessern. Wichtige Punkte sind für Ferschl die Bekämpfung der prekären Beschäftigung, die Abschaffung der sachgrundlosen Befristungen, die immer noch einen hohen Anteil haben, und die schrittweise Abschaffung der Leiharbeit. Die Betroffenen trauen sich oft nicht zu streiken oder werden als Leiharbeitende von Tarifverträgen nicht erfasst.
Ferschl möchte die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erleichtern. Ein Schritt in die richtige Richtung ist für sie das Tariftreuegesetz, dass auf Bundesebene kommen soll. Bayern hat jedoch als einziges Bundesland immer noch kein solches Gesetz und das obwohl hier die Anzahl der Betriebe mit Tarifverträgen immer weniger wird. Laut EU-Richtline brauchen wir eine Tarifbindung von 80 Prozent, aktuell liegt sie in Deutschland aber nur bei 50 Prozent. Ferschl fordert außerdem die Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden ohne Tarifvertrag zu verbieten. Auch bei Unternehmensausgliederungen soll Tarifvertrag nachwirken.

Fechtner konnte hier anknüpfen und beschrieb die Situation in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie. Hier gibt es zwei Arbeitgeberverbände. Für die gleichen Konditionen können Arbeitgeber im vbm mit Tarifbindung Mitglied sein oder im bayme ohne Tarifbindung. Da sei für Fechtner eine Einladung zur Tarifflucht und müsste verboten werden.

Vielmehr forderte auch er rechtliche Änderungen, die Tarifbindung und Betriebsratswahlen erleichtern. Denn nur Mitbestimmung und gute Tarifverträge schaffen aus seiner Sicht gute Arbeitsbedingungen. Auch bei einem oft herrschenden Fachkräftemangel werden sich diese nicht durch den Markt verbessern. Aus seiner Sicht darf auch aus das Arbeitszeitgesetz nicht angetastet werden, dass Menschen am Ende 12 oder 14 Stunden am Tag arbeiten müssen.

Piehler forderte für die Beschäftigten im Handel mehr Gehalt und Wertschätzung. Die Arbeitgeber speisen die Kolleginnen und Kollegen mit Niedriglöhnen ab. Dies, der enorme Druck und die Arbeitszeiten im Handel führen zu einer großen Fluktuation. Piehler forderte deshalb auch kürzere Öffnungszeiten im Einzelhandel.

In der Oberpfalz gibt es auch eine große und energieintensive Porzellan- und Glasindustrie mit vielen Beschäftigten. Für die Unternehmen und Beschäftigten wünschte sich Schopper von der Politik Planungssicherheit, bezahlbare Energie mit einem Industriestrompreis, den Netzausbau und die Herausnahme der Prozessenergie aus der CO2-Bepreisung. Erdgas lässt sich bei der Porzellanherstellung schwierig substituieren und die Hersteller stehen sowieso schon durch die Konkurrenz aus Asien unter Druck. Für die Beschäftigten wünscht sich Schopper mehr Mitbestimmung in den Betrieben und dass es in jedem Unternehmen einen Betriebsrat und gewerkschaftliche Strukturen gibt und dass die Gewerkschaftsbeiträge ab dem ersten Euro steuerlich voll absetzbar sind.

Fechtner stimmte Schopper zu, denn auch die IG Metall fordert einen Brückenstrompreis und damit bessere Planbarkeit bei der Energiekosten. Die Transformation in der Industrie muss durch die Politik unterstützt werden. Die Bayerische Landesregierung tut aus seiner Sicht hier zu wenig, gerade beim Ausbau der Erneuerbaren. Er fürchtet, dass Unternehmen deshalb abwandern könnten. Ferschl wäre grundsätzlich auch nicht gegen Subventionen, möchte aber diese an Bedingungen wie Tarifverträge und Stellengarantien knüpfen.

In der anschließenden Diskussion lobte der anwesende ver.di-Bezirksvorsitzende Stefan Dietl die Anfragen der Linken im Bundestag, die viele nützliche Zahlen liefern und kritisierte auch die Befristungen mit Sachgrund, denn diese würden mit teilweise sehr absurden Gründen befristet und darunter litten häufig gerade jungen Menschen. Gleiches gilt, wenn diese nach der Ausbildung erstmal in Leiharbeitsfirmen gesteckt werden. Der ebenfalls anwesende DGB-Kreisvorsitzende Wolfgang Berndt machte sich für die gegenseitige Streikunterstützung stark. Auch die Referentinnen und Referenten stimmten dem zu. Dies stärke den Zusammenhalt bei den Beschäftigten und man könne voneinander lernen. Für die Zukunft gelte es die Solidarität und die gewerkschaftsübergreifende Unterstützung untereinander auszubauen. Moderator Wanner schloss die Veranstaltung mit dem Hinweis, dass diese vielleicht ein Stück dazu beigetragen habe.