Vergaberichtlinie könnte niedrige Lohnstruktur im Landkreis Cham verbessern
Rede zum Haushalt des Chamer Kreistags von Marius J. Brey:
Sehr geehrter Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen,
auch von meiner Seite natürlich zunächst herzlichen Dank an den Kreiskämmerer für die Zusammenstellung des Haushalts, der – so viel vorweg - auch meine Zustimmung erhalten wird.
Liebe Kolleginnen, die letzten Jahre waren für viele Menschen keine leichten Jahre. Das gilt auch für die Menschen im Landkreis Cham.
Erst die Corona-Krise, die bei vielen Menschen zu Einnahmeverlusten oder zu beruflichen Schwierigkeiten geführt hat. Dann der Krieg in der Ukraine mit seinen wirtschaftlichen Auswirkungen. Und nicht zuletzt die steigenden Preise, die wir alle jeden Tag spüren, wenn wir einkaufen gehen, wenn wir tanken und natürlich vor allem dann, wenn die Jahresabrechnung beim Strom und bei der Heizung ansteht.
Die gestiegenen Preise hatten bei den allermeisten Menschen deutliche Reallohnverluste zur Folge. Die einzig richtige Antwort darauf sind ebenso deutliche Lohnsteigerungen. Die Ergebnisse der Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst und in anderen Branchen in den letzten Monaten sind deshalb nicht nur richtig, sondern sie sind notwendig. Im Grunde muss man sogar sagen: eigentlich sind sie das Mindeste, schließlich führen die von den Gewerkschaften durchgesetzten Lohnsteigerungen unterm Strich im Vergleich zu vor der Inflation in den allermeisten Fällen zu keinem Reallohnplus, sondern lediglich zu einer Angleichung der Löhne an die Inflation.
Leider profitieren im Landkreis Cham viele Menschen nicht von den guten Tarifabschlüssen, schließlich sind wir weiterhin Schlusslicht bei der Tarifbindung und beim gewerkschaftlichen Organisationsgrad. Die Folge sind deutlich niedrigere Löhne als in den Nachbarlandkreisen, worauf die Linke schon seit Jahren aufmerksam macht. Dies ist ein Problem, bei dem der Landkreis tatsächlich etwas tun könnte, zum Beispiel mit einer kommunalen Tariftreue- und Vergaberichtlinie, wie sie etwa die Stadt München seit Jahren erfolgreich praktiziert. So würde zumindest dafür gesorgt, dass Tarifflucht nicht auch noch mit öffentlichen Geldern belohnt wird.
Auch mit Blick auf die wirklich schlechte Platzierung beim Steueraufkommen des Landkreises im bayernweiten Vergleich sollten wir als Kreistag durchaus in uns gehen und überlegen, ob wir nicht auch Maßnahmen ergreifen können, um zu einer besseren Lohnstruktur im Kreis beitragen zu können – was letztlich auch höhere Einnahmen bei den Einkommenssteuern zur Folge haben würde.
Und vielleicht an dieser Stelle eine ganz kurze Randbemerkung, weil ja häufig kolportiert wird, die Tarifsteigerungen würden uns in eine Lohn-Preis-Spirale stürzen. Hier kann ich nur sagen: Keine Sorge. Selbst die EZB-Chefin Lagarde hat mittlerweile anerkannt, dass ein Großteil der Inflation, manche Wirtschaftswissenschaftler sprechen gar von 60% der Preissteigerungen, zurückzuführen sind auf sogenannte „unternehmerische Gier“: die großen Konzerne haben im Schatten der Lieferkettenprobleme durch Corona und im Schatten der Ukraine-Krise die Preise schlichtweg künstlich und ohne jede Not angehoben, um ihre Profitraten zu erhöhen. So erklärt es sich auch, dass trotz wirtschaftlicher Flaute, die im DAX gelisteten Konzerne in den letzten beiden Jahren die größten Gewinne in der deutschen Wirtschaftsgeschichte vermelden und Rekorddividenden an ihre Aktionäre ausschütten konnten.
Mich zumindest verwundert, wieso wir in diesem Land derzeit so viel darüber sprechen, Bürgergeld zu kürzen, Sozialleistungen einzufrieden und damit mal wieder bei denen zu sparen, die ohnehin am stärksten unter der Krise zu leiden haben und gleichzeitig so wenig darüber sprechen, mal bei denen was zu holen, die sich in der Krise auf unser aller Kosten den Hintern haben vergolden lassen.
Sie fragen sich jetzt vielleicht: warum erzählt der das jetzt – wir reden doch über den Kreishaushalt. Aber ich finde, es ist notwendig, auf diese Zusammenhänge zumindest einmal hinzuweisen, schließlich sind die Zahlen, die wir im vorliegenden Haushalt sehen, eine direkte und unmittelbare Folge dieser Entwicklungen. Bei den gestiegenen Ausgaben bei den Personalkosten, bei den Energiekosten der Kreisliegenschaften und bei den Bauaufwendungen wird all das, was ich eben angesprochen habe, konkret.
Ich möchte hier aber den Landkreis zunächst einmal loben, dass im vorliegenden Haushalt nicht gespart wird, weder beim Sozialen noch bei den Investitionen. Die freiwilligen Zuwendungen an die soziale Infrastruktur wurden angehoben. Das ist auch bitter notwendig, schließlich haben auch die sozialen Träger mit gestiegenen Kosten bei einem gleichzeitig gestiegenen Beratungsaufkommen umzugehen. Auch dass das im vorigen Jahr eingeführte Sozialticket beim ÖPNV bestehen bleibt, ist aus unserer Sicht ebenfalls ausdrücklich begrüßenswert. Dafür vielen Dank.
Die Erhöhung der Kreisumlage ist freilich keine leichte Entscheidung. Die Gemeinden, denen wir damit faktisch Geld wegnehmen, haben am Ende ja genauso wie der Kreis mit den gestiegenen Kosten zu kämpfen, sodass die Probleme ein Stück weit einfach an den nächsten in der Kette weitergereicht werden. An dieser Stelle vertraue ich für meinen Teil aber vor allem auf die Einschätzungen der hier anwesenden Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die ihre Haushalte ganz sicher am besten einschätzen können und wenn Sie mir heute sagen: die Erhöhung der Hebesatzes ist für Sie händelbar, dann kann ich für meinen Teil da mitgehen.
Allerdings muss ich auch sagen: ich persönlich hätte auch kein so ganz großes Problem damit gehabt, hätte man in diesem den zweiten von Ihnen ja durchaus skizzierten Weg einer größeren Schuldenaufnahme gewählt. Wir haben ja in guten Zeiten Schulden abgebaut, damit man in schlechten Zeiten wie jetzt auch etwas mehr Spielraum hat. Beide Wege haben ganz sicherlich Vor- und Nachteile. Am Ende ist es eine Abwägungsfrage. Politik ist ja bekanntlich immer die Kunst des Möglichen, um als Linker einmal Bismarck zu zitieren.
Abschließend noch eine letzte Bemerkung. Nach den Enthüllungen des Recherchenetzwerks Korrektiv gehen im ganzen Land Hunderttausende Menschen Woche für Woche auf die Straße um einzustehen für Demokratie, für Solidarität, für Menschlichkeit und um ein Zeichen zu setzen gegen die faschistischen Fantasien der AfD und ihrer rechtsextremen Freunde. Auch in Cham haben letztes Wochenende 4500 Menschen demonstriert.
Ich finde, wir sollten darüber nachdenken, ob es nicht richtig wäre, das Chamer Bündnis für Toleranz und Menschenrechte künftig über den Kreis, zumindest mit ein paar hundert Euro im Jahr, zu fördern. Das Bündnis organisiert das ganze Jahr über Erinnerungsarbeit, ganz aktuell zum Jahrestag des Überfalls auf die Ukraine oder auch zum Holocaustgedenktag. Das Bündnis macht Bildungsarbeit und klärt in Veranstaltungen, zum Beispiel mit der mobilen Beratung gegen Rechts, über die Gefahren des Rechtsextremismus auf. Und wann immer bei uns im Landkreis Neonazis meinen, ihre Propaganda verbreiten zu wollen, organisiert das Bündnis Gegenproteste, was – davon bin ich überzeugt – notwendig ist, weil wenn Nazis merken: in einer Region können wir ungestört agieren, dann kommen die immer wieder und machen sich langsam aber sicher breit. Wenn sie aber merken: da gibt es Gegenwind, dann suchen sie sich eine andere Region für ihre Aktionen aus. Insofern glaube ich, dass das Bündnis, das ja parteiübergreifend organisiert ist und regelmäßig mit Gewerkschaften, Sozialverbänden, Kirchen etc zusammenarbeit, durchaus auch eine Institution ist, die wir als Landkreis unterstützen sollten, schließlich profitiert der Landkreis auch von der Arbeit der Ehrenamtlichen dort.
Soweit aber erstmal.
Vielen Dank.